Montreal - kalt, aber herzlich
well, wenn man von den drei Wochen im Juli, August mit 40 Grad mal absieht ...
Französische Lebensart trifft auf kanadischen Pragmatismus: Montreal ist die liberalste Metropole Nordamerikas. Selbst im langen Winter lassen sich die Bewohner ihre Freiheit und Lebenslust nicht nehmen Von Henning Kruse
WELT am SONNTAG
Montreal macht es dem Besucher anfangs nicht leicht. Der Weg vom Flughafen in die Innenstadt gleicht einer Buckelpiste. Der Highway ist voller Schlaglöcher. Die engen Ein- und Ausfahrten und das Brückengewirr, je näher die Stadt kommt, wirken fast schon beängstigend. Dazu der Blick auf eine Skyline, die im nordamerikanischen Vergleich ein bisschen kümmerlich aussieht.
Stimmt - leider.
Doch wer Montreal als graue, gesichtslose Stadt abheftet, der irrt. Vielmehr lohnt es sich, genau hinzuschauen und einzutauchen in die Stadt, die genau genommen aus mehreren kleinen Städten besteht: einem französischen Teil im Osten, einem britisch geprägten Viertel im Westen, einer modernen Innenstadt, dem alten Kern mit Hafen im Norden und einer hügeligen Parklandschaft im Süden. Man könnte es auch soziokulturell formulieren. In der zweitgrößten Stadt Kanadas trifft Europa auf Nordamerika, französische Lebensart auf kanadischen Pragmatismus. Im Ergebnis ist Montreal die liberalste Metropole Nordamerikas. Dieser Amsterdam-ähnliche Ruf hat sich an der Ostküste herumgesprochen. Auch junge Leute aus New York und Boston kommen zum Feiern. In den Studentenvierteln und Parks können sie dann unbehelligt Alkohol trinken und sogar öffentlich Joints rauchen - ohne dass die Polizei groß einschreiten würde. Sperrstunde ist erst um 3 Uhr morgens. Auch für Junggesellenabschiede ist die Stadt wegen ihrer Nachtklubs und Strip-Lokale ein beliebtes Ziel.
stimmt auch - vor allem braucht es in Montreal die vollkommen schwachsinnigen braunen Tüten nicht mehr, d.h. ich kann mit einer gekauften Flasche Wein tatsächlich einfach in der Öffentlichkeit rumsappen - wahnsinn - im Gegensatz zur USA und Ontario usw. wo die ganze Prohibition immer noch nachwirkt
Schon John Lennon machte sich die liberale Einstellung zunutze. Sein legendäres "Bed-in" hielt er 1969 bezeichnenderweise zunächst in Amsterdam und dann im "Queen Elizabeth Hotel" in der Montrealer Innenstadt ab. Die USA hatten ihn aufgrund einer Verurteilung wegen Cannabis-Besitzes nicht einreisen lassen. Doch Montreals gewisse Leichtigkeit des Seins wird in anderen Teilen Kanadas durchaus kritisch gesehen. Schließlich dürfen die reichen, mit Bodenschätzen gesegneten Provinzen jedes Jahr Milliarden kanadische Dollar an das bedürftige Quebec überweisen. Diese Wirtschaftshilfe soll den Bundesstaat Kanada zusammenhalten und die überwiegend französischsprachige Bevölkerung in Quebec davon abhalten, nach zwei knapp gescheiterten Anläufen in der Vergangenheit nicht noch ein drittes Referendum zur Unabhängigkeit abzuhalten.
kann ich mir momentan nicht vorstellen und auch in den nächsten 20 Jahren nicht - ein drittes Referendum meine ich - unwahrscheinlich - ausser die Regierung Harper schafft es nochmal total zu provozieren - dann vielleicht
Trotz einer immensen Verschuldung kann sich Montreal daher einige Extras leisten: So gönnt sich die Stadt gerade den Neubau eines Konzertsaales im Museumsquartier, den ab 2012 das Orchestre symphonique de Montréal unter Kent Nagano bespielen wird.
Gerade in der Kultur sieht die Stadt die Chance, ihr Anderssein und europäisches Erbe zu betonen. Dutzende Festivals finden im Jahr statt. Namhaft sind vor allem das Jazz- und Filmfestival sowie das Lichtfest "Montreal High Lights". Und seit vorigem Jahr gibt es den Montreal Museum Pass, der für knapp 35 Euro Zugang zu 35 Museen bietet. Das Musée des Beaux-Arts de Montréal ist dabei eines der herausragendsten Ziele: Das Museum beherbergt eine der besten Gemäldesammlungen Nordamerikas von Hans Memling bis Pablo Picasso. Berühmt ist es auch für seine Sonderausstellungen. Zuletzt lief dort die erste umfassende Werkschau in Nordamerika über das Schaffen des deutschen Malers Otto Dix. Gleichwohl: Deutsche Kultur kommt nur zu Besuch. In der Stadt dominieren der englische und vor allem französische Einfluss - nichts umsonst gilt der Großraum auch als zweitgrößte französischsprachige Stadt der Welt nach Paris.
na ja, mag sein
Seinen unverwechselbaren Charme entwickelt Montreal dann auch auf der östlichen, französischen Seite, dem Plateau Mont-Royal. Wie fast die ganze Stadt wurde dieses Viertel zwar auf dem Reißbrett geplant. Boulevards wechseln sich ab mit kleinen Wohnstraßen und Parks. Doch die Bebauung ist nicht steinern-großstädtisch, sondern bescheiden. Die Häuser zählen meist nur zwei bis drei Stockwerke. Obere Wohnungen sind häufig nur über die für Montreal so charakteristischen eisernen Außentreppen zu erreichen, die an Feuerleitern erinnern. Noch heute schlägt auf dem Plateau das französische Herz der Stadt. "Chocolatier", "Patisserie" oder "Boulangerie" steht auf den Schildern (ohne die sonst in der Stadt obligatorische englische Übersetzung).
Plateau ist schon cool, muß ich sagen - und wir sind echt mittendrin - das war ein Glücksgriff
70 Prozent der Montrealer haben als Muttersprache Französisch, und dieses sprachliche und kulturelle Erbe wird - wenn auch sanft - verteidigt.
na ja, wird schon ein wenig härter verteidigt - mit Gesetzen und praktisch jeden Tag in irgend einer Form
Ausdruck der französischen Lebensart sind die unzähligen Restaurants, Cafés und Bistros, die sich vor allem auf und neben dem Boulevard Saint-Laurent und der Rue Saint-Denis verteilen. Oder die Baguetterien und Feinkostläden, die eine für Nordamerika ungewöhnliche Vielfalt an Käse und Brot bieten. Gut essen und kochen gelten in "La belle", wie Montreal in der Provinz genannt wird, als Kulturgut. Regelmäßige Restaurantbesuche sind daher Bürgerpflicht. Über 6000 Lokale zählt die Stadt. Zum "savoir vivre" passt, dass auf die Provinz Quebec knapp die Hälfte des gesamten jährlichen Rotwein-Konsums in Kanada entfallen soll. Ein weiteres französisches Erbe: Montreal ist Kanadas Zentrum für Mode und Design. So trug die Stadt 2006 nicht von ungefähr den Titel "Unesco City of design". Auf dem Plateau finden sich viele Boutiquen und Modegeschäfte in der lebendigen Avenue du Mont Royal und der Rue Saint-Catherine. Zweimal im Jahr veranstalten junge Designer einen großen Verkauf im Marché Bonsecours, einer altehrwürdigen Markthalle am Hafen. Dazu haben in der Stadt zuletzt zahlreiche Boutique-Hotels mit verspielt-bunter Einrichtung eröffnet, die sich an trendbewusstes Publikum wenden.
stimmt
Montreal ist allerdings ein Mix vieler Kulturen. Neben dem frankofonen Übergewicht gibt es Little Italy, Chinatown, eine stark wachsende Maghreb-Gemeinde und Zuwanderer aus Haiti. Westlich vom Hausberg Mont Royal - dem Namensgeber der Stadt - hat sich bereits seit Jahrhunderten die größte Minderheit der Stadt niedergelassen: Im Viertel Westmount residiert die englisch geprägte Oberschicht. Grandiose Villen und schlossähnliche Anwesen im viktorianischen Stil zeugen vom alten Reichtum. Pelzhandel und Hafen hatten Montreal im 18. und 19. Jahrhundert zu einer der reichsten Städte Nordamerikas gemacht. Dann folgten Industrialisierung und die Eisenbahn. Montreal stieg zum zweitgrößten Güterumschlagplatz von ganz Nordamerika nach New York auf. Trotz einer überwiegend französischsprachigen Bevölkerung lag die wirtschaftliche Macht meist in englischer Hand.
stimmt - aber die "Teilung" löst sich so langsam etwas auf - immer mehr anglophone ziehen nach Osten, also in den eher frankophonen Teil und auch umgekehrt gehen viele frankophone Einwanderer nach "Westen", also in den anglophonen Teil der Stadt
Diese Teilung ist bis heute selbst in der Innenstadt ablesbar. In der Kneipenstraße Rue Crecent geht es am Wochenende nicht anders zu als in London oder Manchester, man trinkt lieber Bier als Wein. Selbst Ex-Rennfahrer Jacques Villeneuve hat sich den Sitten angepasst und sein hiesiges Edelrestaurant - getreu der englischen Übersetzung seines Nachnamens - "Newtown" genannt.
Newtown ist - soweit ich weiß - total out und keine Sau geht da mehr hin
Von der Pub-Meile ist es nicht mehr weit in den "neutralen" Teil der Innenstadt. Neben Bürotürmen - keiner darf höher sein als der 233 Meter hohe Hausberg - finden sich hier die großen Kaufhäuser und natürlich die "Ville Souterraine", die unterirdische wetterfeste Einkaufstadt. In den vergangenen Jahrzehnten ist hier ein klimatisiertes Konsum-Labyrinth mit Passagen und Galerien entstanden. Über 2000 Geschäfte und 200 Restaurants sind inzwischen angeschlossen. Auch alle wichtigen Bürogebäude, Hotels und Metro-Stationen wurden unterirdisch miteinander verbunden. Sogar eine Kirche. In den bitterkalten Wintern findet dann das ganze Leben im Zentrum unter Tage statt. Pendler gelangen von der Metrostation direkt unterirdisch zu ihren Büros. Und am Feierabend geht es gleich weiter ins Kino, Theater oder Restaurant. Man kann einen ganzen Tag durch die Galerien bummeln - ohne einmal in die Kälte zu müssen. Der Winter schränkt die Einwohner zwar ein, lässt ihnen aber ihre geliebte Freiheit.
na ja, Tourigeschwätzausserdem sind die Winter auch nicht mehr das, was sie einmal waren ....
Mobilität ist wichtig in Montreal. Davon können sogar andere Städte lernen. Vor zwei Jahren führte die Stadt ein Fahrradsystem namens Bixi ein. Mittlerweile kann man an 400 mit Solarstrom betriebenen Stationen Fahrräder ausleihen. Innerhalb der ersten halben Stunde ist dies kostenlos. 5000 Räder stehen zur Verfügung. Die Bixis lösten eine kleine Revolution aus: Der Autoverkehr ging merklich zurück, dafür wurden überall neue Fahrradwege ausgewiesen.
halte ich für ein totales Gerücht - jeden Tag Stau, etc., da ändern ein paar "Radfahrer" nicht viel dran ............ - leider trotzdem gibt es ein paar gute Ideen (z.B. Communauto - ein Carsharing system) - aber was den öffentlichen Nahverkehr anbelangt ist Montreal noch weit hinter den meisten europäischen Großstädten zurück
Der Bixi-Erfinder hat das System mittlerweile nach London, Melbourne und Minneapolis verkauft. Allerdings weist das Konzept gerade in einer hügeligen Stadt wie Montreal auch ökologische Schwächen auf: Denn die Bixis sind morgens für Abfahrten in die tiefer liegende Innenstadt beliebt. Abends nehmen die Pendler und Studenten aber lieber die Metro. Die Räder müssen dann täglich wieder mit Transportern zu den Stationen hinaufgekarrt werden.
stimmt - trotzdem habe ich ein Bixi Abo und finde es eigentlich ganz praktisch - aber der Service läßt von Jahr zu Jahr mehr zu wünschen übrig. D.h. beschädigte Fahrräder, nicht funktionierende Stationen, komplett überfüllte Stationen, nicht "erschlossene" Stadtteile (kann ich also mein Fahrrad gar nicht abstellen), etc.
Donnerstag, 5. April 2012
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