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05.01.13
Bayreuth
200 Jahre Wagner – Bauen, lästern, streiten
Das Wagner-Jubiläumsjahr 2013 sorgt in Bayreuth für
Verwerfungen. Der Mythos des Komponisten Richard Wagner wird auch das
überleben. Und die Besucher mit Gummistiefeln und Bauhelm. Von Anja-Maria Meister
Einmal im Jahr, sechs
Wochen lang, ist Bayreuth der Nabel der Wagner-Welt – während der
Festspielzeit. Danach fällt die 73.000-Einwohner-Stadt in Oberfranken
wieder in ihren provinziellen Standardmodus zurück. So ist das.
Normalerweise. Doch heuer ist alles anders. Alles?
2013 feiern die
Wagnerianer den 200. Geburtstag und den 130. Todestag ihres Meisters. Da
steht die wichtigste Wirkungsstätte des Komponisten das ganze Jahr über
im Fokus.
Aber mit ihm
eben auch der Wagner-Zirkus: das Gerangel um Zuständigkeiten, der Streit
ums Geld und die selten harmonischen Wortmeldungen der Wagner-Enkel und
-Urenkel. Der Zank hat Tradition. Und zum Jubiläum wird erst recht
gestritten.
Zu teuer und zu ungeheuer
Es begann schon
mit dem ersten Programm-Konzept, das Professor Anno Mungen vom
Forschungsinstitut für Musiktheater der Uni Bayreuth präsentieren
sollte. Es war den Stadtvätern zu teuer und nicht ganz geheuer: Mungen
wollte zeitgenössische Künstler à la Schlingensief für Installationen in
der Fußgängerzone gewinnen, ein Filmfestival veranstalten und das
Internet via "WagnerWorldWide" einbeziehen.
Das hielten zum
Beispiel Vertreter der "Bayreuther Gemeinschaft", die heute die
Oberbürgermeisterin stellt, für "völlig unnötig". Sie fanden es
"ungeschickt", mit einer weiteren Internetseite an den Start zu gehen,
"statt die weltweit eingeführte Seite der Festspiele zu nutzen".
Mungen ist nicht
nur aus der Programmgestaltung ausgeschieden, seine universitären
Wagner-Veranstaltungen tauchen auch im offiziellen Programm nicht auf.
Der Wissenschaftler setzte "WagnerWorldWide"
dennoch um: Seit Monaten laufen Ringvorlesungen und Konferenzen
zusammen mit schweizerischen, chinesischen und amerikanischen
Wagner-Forschern.
Von der Musikschule auf den Grünen Hügel
Weil die Stadt
zwischendurch keinen Kulturreferenten hatte – auch das eine Bayreuther
Spezialität – wurde die Verantwortung für das Jubiläumsprogramm 2010
Nicolaus Richter übertragen, Direktor der städtischen Musikschule.
Und der hat unter dem Motto "Da steckt Wagner drin!"
rund 100, teilweise top besetzte Veranstaltungen rund um Richard Wagner
und seinen Kosmos versammelt. Und schon wird wieder gestichelt:
"Hochkarätig", sagen die einen, "mainstreamig" mäkeln die anderen.
Eine kleine
Auswahl: 2013 startet mit einer Wagner-Comedy, produziert von
Regie-Meister Philippe Arlaud. Die Neuköllner Oper präsentiert ein Stück
nach Ring-Motiven mit Stockhausen-Musik, Stefan Kaminski bringt den
Ring als One-Man-Hörspiel auf die Bühne, die Bamberger Symphoniker
kommen, ebenso das Rundfunkorchester des BR unter Andris Nelsons und
selbstverständlich die Sächsische Staatskapelle unter dem derzeit
angesagtesten Wagner-Dirigenten Christian Thielemann.
Karten sind vergriffen – wie immer
Natürlich
leitet er das Geburtstagskonzert im Festspielhaus, das ebenso natürlich
längst ausverkauft ist. In Kooperation mit dem Gewandhausorchester
werden die Frühwerke Wagners in Bayreuth aufgeführt. Außerdem stehen zahlreiche Ausstellungen, Vorträge, kleinere Konzerte auf dem Programm.
Und natürlich die Festspiele, die den Ring neu herausbringen. Aber dafür bekommt man natürlich auch keine Karten mehr.
Typisch für
Bayreuth wird beckmesserisch festgestellt, dass das Programm neben
Mungen auch Sissy Thammer nicht berücksichtigt. Sie ist seit einem
Vierteljahrhundert Direktorin des Festivals junger Künstler Bayreuth,
das seit mehr als 60 Jahren parallel zu den Bayreuther Festspielen im
Sommer stattfindet und junge Musiker aus der ganzen Welt zusammenbringt.
Mal wird da Wagner gespielt, meistens aber nicht.
"Bei uns steckt
halt kein Wagner drin", sagt Sissy Thammer streitlustig. "Wir sind ja
keine Archäologen, die alte Dinge ausgraben, und die – nebenbei bemerkt –
besser begraben blieben. Unser Programm ist zukunftsgerichtet!".
Gummistiefel und Bauhelm
Nicolaus
Richter lässt sich davon nicht die Laune verderben. "Wir haben jeden
gefragt, unser Programm stand jedem offen, der zum Jubiläum beitragen
will. Herausgekommen ist ein Programm, wie es sonst in Weltstädten
aufgeführt wird!"
Apropos
Weltstadt: In Bayreuth werden sämtliche Baustellen spätestens in der
Nacht vor der Festspiel-Premiere – wenn die Wagnerianer aus aller Welt
anrücken – beseitigt, zur Not hinter ein paar Blumenkübeln versteckt.
Zumindest war das gefühlte 100 Jahre so. Wer aber 2013 nach Bayreuth
pilgert, sollte Gummistiefel und Bauhelm mitbringen.
Auf dem Papier
spricht Oberbürgermeisterin Merk-Erbe von der "sehr großen Chance,
Bayreuth überregional als die Wagnerstadt schlechthin zu präsentieren".
Doch wo Wagners Wähnen Frieden fand, an seinem Wohnhaus Wahnfried,
herrscht Baulärm, sein Festspielhaus ist eingerüstet.
Das jüngst zum
Weltkulturerbe erhobene Markgräfliche Opernhaus, wo Wagner anlässlich
der Grundsteinlegung für sein Festspielhaus 1872 Beethovens Neunte
dirigierte, ist ebenfalls wegen Umbauarbeiten geschlossen.
Bauarbeiten unvermeidlich?
Irgendwie war
das alles unausweichlich, ist keiner richtig schuld, und schlimm ist es
ja eigentlich auch nicht wirklich, finden die Verantwortlichen.
Wilhelmines Rokoko-Opernhaus untersteht der staatlichen Schlösser- und
Seen-Verwaltung, und die vermittelt den Eindruck, als habe sie mit all
dem Wagner-Gedöns nichts zu tun.
Die Sanierung
sei ein auf "langfristigen Ertrag ausgerichtetes Großprojekt", von
Genehmigungsverfahren, Planungsvorläufen und Finanzierungsentscheidungen
abhängig. "Eine Verzögerung der Sanierungsmaßnahmen wäre nicht zu
rechtfertigen, zumal es sich bei dem Opernhaus um kein 'Wagner-Denkmal'
handelt", erklärt die Schlösserverwaltung trocken.
Besucher können 2013 ein provisorisches Welterbe-Zentrum und ein paar Säle sehen.
Planungs-,
Finanzierungs- und Genehmigungsfragen spielen auch beim Umbau des
Richard-Wagner-Museums eine große Rolle. Mittlerweile ist das Haus seit
September 2010 geschlossen. Absperrband und Bagger also, wo Wagnerianer
sonst in stiller Andacht am Grab des Meisters innehalten.
Streit um Museum
Planer, Stadt,
Museumsleitung, Familie – alle haben unterschiedliche oder gar keine
Vorstellungen, was genau das Richard-Wagner-Museum künftig sein soll.
Und dann beschweren sich auch noch Anwohner, dass Bäume im Park gefällt
werden müssen.
In zwei Jahren
schafften es die Beteiligten – Haus und Grundstück gehören der Stadt,
die es der Richard-Wagner-Stiftung überlässt – nicht, die Villa für das
Jubiläumsjahr vorzeigbar zu machen. "Wir versuchen, die Peinlichkeit zu
lindern", sagt Nicolaus Richter freimütig. So werden während der
Festspielzeit Teile der alten Landesausstellung zum Wagner-Gönner König
Ludwig II. in Wahnfried zu sehen sein.
Und dann ist da
noch das Festspielhaus, das seit November eingerüstet ist, weil der
Putz bröckelt. Im März wird klar sein, ob es das Gerüst auch während der
Festspiele braucht. Ministerialdirigent Toni Schmid, Vorsitzender des
Festspiel-Verwaltungsrats und des Stiftungsrats der
Richard-Wagner-Stiftung, wird unwirsch, wenn er hört, dass der Freistaat
längst hätte etwas tun müssen. "Wir sind doch erst seit ein paar Jahren
dabei!"
Seit 2008 genau
sind Stadt, Freistaat, Bund und die Gesellschaft der Freunde zu je 25
Prozent Gesellschafter der Festspiel-GmbH, das Haus aber gehört der
Stiftung, die es an die GmbH vermietet. Vorher war Wolfgang Wagner
alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer. Jetzt müssen quasi zwei
Parlamente und ein Stadtrat mitreden bei jeder Ausgabe.
Nur Schmid
bleibt ruhig: "Das Wichtigste ist die Sicherheit der Festspielbesucher.
Dagegen scheint mir die Frage der Einrüstung sekundär."
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Soweit der Artikel aus der Welt. Sagt man "die Welt"?? Wie dem auch sei - ist eh ein reaktionäres Blatt. Aber ausnahmsweise - wenn es schon mal über die "fränkische Provinz" geht wie sich z.B. "Die Zeit" ausdrückt (ebenfalls Titelseite über Wagner). Welch großartige Gelegenheit sich der Welt zu präsentieren. Nicolaus (Richter) und Sissy (Thammer) sind zwei ehemalige Mitstreiter aus meiner Bayreuther Zeit. Nicolaus hat zu meiner Bayreuther Zentrumszeit ganz hervorragend gegen den damals gerade neu installierten amtierenden Kulturreferenten intrigiert (ein Metier, welches er noch meisterlicher versteht als Violine zu spielen oder zu dirigieren) um dann, aus lauter Not, dessen Job als "Kulturbeauftragter" kurzerhand selbst zu übernehmen. Sissy Thammer, die, auf eine gewisse (fast schon) positive Weise, total durchgeknallte Intendantin (den simplen Titel "Direktorin" würde Frau Dr. hc als extrem abwertend bezeichnen .....) des Festivals steht in Todfeindschaft zu Nicolaus und vice versa. Kein Wunder, daß sie da bei dem Wagnerspektakel komplett ausgeklammert wird. Sind alte Geschichten aber da könnte ich herrliche Anektoden erzählen. Bayreuth wie es leibt und lebt sag ich da nur ........... dann wagnert mal schön ............... paßt auch gut zu dem Gemetzel oben auf dem Hügel.
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