Das triffts dann leider wohl auf den Punkt .....
..................................................................................................
Öko war früher
Von den grünen Bekenntnissen der Menschheit ist wenig geblieben. Die
Klimakonferenz in Polen zeigt es: Die Welt gibt erst mal auf
VON PETRA PINZLER UND FRITZ VORHOLZ
Angenommen, wir fänden heraus, dass ein Asteroid auf die Erde zurast,
der am 3. Dezember 2073 einschlagen und bei dieser Gelegenheit 70
Prozent allen Lebens vernichten wird. Sicher würden unsere Regierungen
sofort aktiv. Um das Unglück zu verhindern, würden sie die besten
Wissenschaftler, Universitäten und Unternehmen mobilisieren. Und alle
anderen damit beauftragen, das Überleben der Menschheit zu sichern – für
den Fall, dass die erste Gruppe scheitert.
Mit dieser Geschichte füllt der britische Professor Stephen Emmott ganze
Theater, sie ist Teil seiner Schocktherapie. Eigentlich ist Emmott
Naturwissenschaftler in Diensten eines Großunternehmens. Er leitet ein
Computerlabor von Microsoft. Dort hat er Millionen von Daten über den
Zustand der Welt ausgewertet, akribisch und emotionslos. Seitdem ist
Emmott sicher: Unsere Situation unterscheidet sich nur in zwei Punkten
von dieser Fiktion. Wir haben kein Datum für die Vernichtung der Erde.
Und deswegen kämpfen wir auch nicht ernsthaft dagegen.
Spinnt Emmott?
Grüner Aufbruch war einmal. Jetzt ist Ökorollback, ein Rückfall in die Vergangenheit
In dieser Woche verhandeln Regierungsvertreter aus aller Welt in Polen
über den Klimaschutz. Bislang erfolglos. Dabei müssten sie sich noch um
viel mehr als nur um das Klima und um den Anstieg des Meeresspiegels
sorgen. Bedroht ist die gesamte Lebensgrundlage der wachsenden
Weltbevölkerung: Böden, Wasser, Lebensräume. In bisher unbekanntem
Ausmaß werden Meere verschmutzt, Äcker verweht, Lebewesen vernichtet.
Schneller und schneller.
Grüner Aufbruch war einmal. Jetzt ist Ökorollback, ein Rückfall in die Vergangenheit.
Bei der Klimapolitik zeigt sich das beispielhaft. Da geben heute selbst
einstige Vorreiter auf. Vergangene Woche hat die Regierung in Tokio
verkündet: Der CO₂-Ausstoß des Landes soll, gemessen am Stand von 1990,
bis zum Ende des Jahrzehnts nicht mehr um 25 Prozent sinken – er darf
wieder zunehmen. Fukushima dient als Begründung, obwohl es längst
Konzepte dafür gibt, Atomausstieg und Klimaschutz zu vereinen. Auch in
Japan.
Polen, der Gastgeber der Klimakonferenz, verfeuert viel Kohle. Die USA
setzen auf Reindustrialisierung durch billige Energie und fördern mit
umstrittenen Methoden mehr und mehr Erdgas. Das verbrennt zwar sauberer
als Kohle, auf Dauer dürfte der CO₂-Ausstoß der USA aber trotzdem
wachsen. Die neue australische Regierung will die gerade eingeführte
CO₂-Steuer wieder aussetzen, obwohl das Land schon jetzt unter den
Folgen des Klimawandels leidet, unter Überschwemmungen und Hitzewellen.
Sogar Deutschland, selbst ernannter Ökochampion, sendet Signale des
Rückzugs. So bremst Berlin die EU bei strengeren Abgasgrenzwerten für
Autos. Und in den Koalitionsverhandlungen wird die Energiewende fast nur
noch unter der Frage verhandelt, wie alles billiger werden kann. Selbst
der Chef des Umweltbundesamtes bekommt da seine Zweifel.
»Himmelfahrtskommando oder Zukunftsinvestition!«, das sei noch offen,
twitterte Jochen Flasbarth. Bisher sieht es so aus, als gerate die
Energiewende zum Himmelfahrtskommando.
Es ist absurd. Überall auf der Welt geben sich die Eliten grün. Trennen
ihren Müll und kaufen Bio. Plastiktüten gelten als out. Neue Staubsauger
dürfen in der EU nur noch wenig Strom verbrauchen. In China boomt die
Elektromobilität. Nie zuvor haben so viele Menschen so viel über
Umweltschutz nachgedacht. Und niemals so schnell so viel Umwelt
zerstört.
Der Reichtum der Meere ist vergangen. Schon heute fänden Fischer immer
weniger in ihren Netzen, sagt die Welternährungsorganisation.
Zu Lande rottet der Mensch Tiere und Pflanzen aus: 41 Prozent aller
Amphibien, 33 Prozent der Steinkorallen und 25 Prozent der Säugetiere
sind akut vom Aussterben bedroht.
Dramatisch ist der Verlust fruchtbaren Bodens. Das
Welt-Boden-Informationszentrum hat ermittelt, dass im vergangenen
Vierteljahrhundert rund ein Viertel der globalen Landfläche
heruntergewirtschaftet wurde – verweht, vergiftet oder ausgelaugt. Um
die wachsende Weltbevölkerung ernähren zu können, werden nun Wiesen,
Moore und Wälder umgepflügt.
Ende vergangener Woche veröffentlichte das Wissenschaftsmagazin Science
das Ergebnis einer satellitengestützten Vermessung der Baumbedeckung.
Zwischen 2000 und 2012 verschwanden netto 1,5 Millionen Quadratkilometer
Wald. Das entspricht vier Mal der Fläche Deutschlands. In Brasilien
wurde allein im vergangenen Jahr fast ein Drittel mehr Wald gerodet als
im Vorjahr.
Umweltschutz schmälert kurzfristig die Renditen. Kaum eine Regierung will das ihrem Land zumuten
Als Präsident des Global Footprint Network fasst Mathis Wackernagel all
diese Fakten regelmäßig zu einer Art Kontoauszug zusammen und errechnet
daraus den ökologischen Fußabdruck der Menschheit. Danach waren in
diesem Jahr bereits am 20. August alle natürlichen Ressourcen
verbraucht, die sich bei sorgsamer Nutzung regenerieren. Seither leben
wir von der Substanz, und der
Overshoot-
Tag ist jedes Jahr ein wenig früher: 2003 war es noch der 22. September, 1993 der 21. Oktober.
Warum ausgerechnet jetzt so wenig gegen die Zerstörung getan wird? Weil
der »politische Wille« fehle, das Ruder herumzureißen. Das jedenfalls
war die Antwort einer Expertengruppe, die der UN-Generalsekretär zwanzig
Jahre nach dem Erdgipfel von Rio de Janeiro um Rat bat.
Kein Wunder. Umweltschutz schmälert kurzfristig die Renditen.
Ausgerechnet jetzt, da viele Länder unter den Folgen der Finanzkrise
leiden, will das kaum eine Regierung ihrem Land zumuten. Also wird die
Bewahrung der Schöpfung der Standortkonkurrenz geopfert. Deswegen setzen
Amerikaner auf Fracking, holzen Brasilianer den Urwald ab, kippen
Australier die Klimasteuer.
Man könnte das auch eine kollektive Enteignung nennen. Enteignet wird,
wer heute schon unter Umweltschäden leidet, meist aber im Süden wohnt
und sich kaum wehren kann. Enteignet wird aber auch die nächste
Generation.
Man könnte es auch als falsch verstandene Marktwirtschaft bezeichnen,
weil die Preise die ökologische Wahrheit nicht ausdrücken. Mehr
Ökosteuern könnten das ändern. Aber wären damit noch Wahlen zu gewinnen?
In Deutschland ist der Anteil von Umweltsteuern und -abgaben an den
staatlichen Einnahmen zuletzt sogar gesunken.
Stephen Emmott, der Mann mit der Asteroiden-Geschichte, ist pessimistisch: »Ich glaube, wir sind nicht mehr zu retten.«
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.