Trauergottesdienst
für Margarete Müller
92 Jhr. 19.11.15 St. Johannes Trebgast
Liebe Angehörigen, liebe
Gemeinde,
in
einer alten Legende wird erzählt, wie ein Mensch vor die Himmelstür tritt und
Gott um einen Gefallen bittet. Das Kreuz, das er auf seinen Schultern trägt,
erscheint ihm zu schwer. Er möchte vom Schöpfer ein leichteres bekommen. Gott
gewährt ihm die Gunst, führt ihn in einen Saal, in dem viele Kreuze aufgestellt
sind – alle Größen und Sorten. Ganz hinten in der Ecke sieht der Bittsteller
eines, das möchte er haben. Es glänzt von purem Gold. Aber, wie er dieses Kreuz
auf seine Schultern legt, bricht er unter dem Gewicht zusammen.
Er
erkennt:
Will
ich den Glanz besitzen, muß ich auch die Last mit tragen. Und so entscheidet er
sich, sein altes Kreuz zu tragen.
Heute
sind wir hier, um von unserer Tante Abschied nehmen.
Wir
schauen zurück auf eine lange
Lebensstrecke von fast 93 Jahren. Ihr ist in ihrem langen Leben manche
Last aufgebürdet worden. Doch, wir, die wir sie kannten wissen, dass sie das
alles mit viel Gelassenheit und Gottvertrauen getragen hat.
Johanna
Margarete Müller wurde am 4. März 1923 in Reisighof
geboren. Bis auf wenige Jahre hat sie immer auf dem Reisighof gelebt. Die
Kinder, die in ihrer Nähe aufgewachsen sind, deren Ehepartner mit ihren Kindern
und Enkeln, für uns alle war sie die Tante.
Die
Maich, wie sie manche auch nannten, war bis zu ihrem letzten Lebenstag
eine sehr aufgeschlossene, weltoffene und am politischen Tagesgeschehen
interessiert Frau. Auch, wer mit ihr noch in den letzten Wochen gesprochen hat,
war immer wieder neu überrascht, wie sie an der Gegenwart interessiert war.
Den
Menschen, den Tieren und den Pflanzen auf dem Hof galt ihre ganze
Aufmerksamkeit. Vor allem ihre Blumen hat sie gepflegt und gehütet. Blumentante
wurde sie deshalb auch genannt. Dabei kam es natürlich auch zu Konflikten mit
den Fußball spielenden Buben, die auf ihre Pflanzen weniger Rücksicht nahmen,
so dass sie manchmal den Ball versteckt hat.
Für
uns war sie ein lebendiges Geschichtsbuch. Die Geschichte des Reisighofes hat
sie erforscht und uns weiter gegeben. Sie konnte interessant erzählen von ihrer
Kindheit und Jugend und von der schweren Zeit nach dem Krieg.
In
jungen Jahren meint man manchmal diese „alten Geschichten“ nicht hören zu
wollen. Heute bin ich dankbar, für all das, was sie uns erzählt hat.
Bei
diesem Erzählen hat sie auch die dunklen Wegstrecken ihres Lebens nicht
ausgelassen.. Sie hat aber davon nicht im Jammerton berichtet, sondern davon
erzählt, dass es ihr Glaube war, der sie
durchgetragen hat.
Ich
denke, es war ihr Konfirmationsspruch aus dem 2. Timotheusbrief, der so etwas,
wie ein fester Anker für sie war: „Du aber bleibe bei dem, was du gelernt
hast und was dir anvertraut ist“. (3,14)
Bei so einer langen Lebensstrecke bleiben am Ende
die Krankheiten nicht aus. Gar manches Mal haben wir sie im Krankenhaus oder
auf Reha besucht. Doch, ihr ungebrochener Lebenswille hat sie immer wieder auf
die Füße gestellt. Noch einmal übe eine grüße Wiese gehen, diesen Wunsch hat
sie im Vorfeld ihres 90. Geburtstages geäußert.
Und
dann kam dieser letzte Sommer, wo sie so glücklich war, wieder so weit auf
eigenen Füßen stehen zu können, dass sie an den vielen Sonnentagen auf der
Terrasse sitzen konnte und den Blick hinüber nach Listenberg genossen hat. Der
Hund und die Katze lagen bei ihr und die vielen Besucher zeugten davon, dass
sie in ein großes soziales Netzwerk eingebunden war..
Wie glücklich war sie, noch
die Geburt des jüngsten Reisighofer mitzuerleben und seine Taufe mitfeiern zu
können.
Nicht
vielen Menschen ist es in unserer Zeit vergönnt, daheim zu bleiben, auch wenn
die Gebrechen zunehmen. Der Reisighof war die Heimat unserer Tante und du,
liebe Marlies hast es, durch deinen unermüdlichen pflegerischen Einsatz möglich
gemacht, dass es so sein konnte. Dafür gebührt dir unser Dank
Noch
viel gäbe es von dem gemeinsamen Erleben mit der Tante zu erzählen. Nur noch
eines. Ich erlebe das als Pfarrer sehr selten, dass ein Mensch seine eigene
Beerdigung vorbereitet. Schon vor einigen Jahren hat sie zu mir gesagt: „Du
hältst meine Beerdigung“ und hat mir dann einen Zettel mit ihrem
Konfirmationsspruch in die Hand gedrückt.
Im
90. Psalm steht die Gebetsbitte: Lehre uns bedenken, dass wir sterben
müssen, damit wir klug werden“.
Ja,
es gehört zur Klugheit des Lebens dazu, dass wir den Gedanken an das Sterben
nicht verdrängen. Gerade diese letzten Tage im Kirchenjahr wollen uns daran
erinnern.
Es
gehört aber auch zur Klugheit des Lebens dazu, dass wir eine Hoffnung haben,
die über den Tod hinaus geht.
„Du
kannst nicht tiefer fallen, als nur in Gottes Hand“, werden wir dann singen.
„Du
aber bleibe bei dem, was du gelernt hast und was dir anvertraut ist“.
Seit
unserer Taufe ist es uns anvertraut: Du gehörst nicht dem Tod, sondern dem
auferstandenen Christus.
„Du
aber bleibe bei dem“ Nehmen wir diesen
Konfirmationsspruch von Margarete Müller für uns mit als Mahnung, unser
Leben so zu gestalten, dass wir nicht auf den Tod zu leben, sondern auf die
Hoffnung, die uns von Ostern her gegeben ist.
Unsere
Tante, die „Maich“, sie ruhe in Frieden und das ewige Licht leuchte ihr.
Amen
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