Erstmal ein kleiner Fahrbericht:
Ich bin um 6 Uhr 30 morgens, pünktlich, aus Waskaganish weggekommen. Die ersten 30 km waren Asphalt, dann ca. 60 km Schotter und dann nochmal ca. 15 km Asphalt.
Die Sonne ging gerade auf und die erste Stunde ging es in sehr milden Sonnenlicht gegen Osten. Nach ca. 30 km kommt der 50 km Abschnitt des verbrannten Waldes. Es ist zwar nur Taiga aber es sieht trotzdem apokalyptisch aus.
Dann kam wieder Asphalt und ca. 250 km ohne jedwedes andere Fahrzeug. Menschenleer. Aber die Straße war gut und ich konnte mit ca. 120 km_h einen guten Schnitt fahren.
In Matagamie habe ich einen Café getrunken und einen Tankstop gemacht. Danach kommen nochmal knapp 200 km ohne Tanke - bis Amos. Die Strasse geht ab Matagamie - mehr oder weniger - immer gerade aus. Da es keinerlei andere Fahrzeuge gibt kann man mit ca. 140 bis 160 km_h fahren - problemlos. Man muss nur immer auf potentielles "Viechzeugs" aufpassen - z.B. Fuchs oder Reh oder, im gröbsten Fall: Elch.
Ab Amos sind es dann ca. 100 km bis Val d'Or und dann geht es ca. 250 km durch den La Vérendrye Park durch.
Nach La Vérendrye ist es fast geschafft: noch ca. 100km bis nach Tremblant und dann bin ich schon fast am Chalet. Insgesamt 1000 km welche ich, ohne Pause und lediglich durch zwei Tankstops unterbrochen, durchgefahren bin.
Das geht auch nur mit diesem fantastischen Motorrad. Einfach ein geiles Bike.
Das Wetter war phänomenal und somit konnte ich um ca. 18 Uhr in den See springen und mir den Staub der Fahrt mit einem gepflegten Weißbier runter spülen.
Jetzt zu meinen Eindrücken.
Waska war nicht wirklich so wie ich mir das vorgestellt hatte. Das ganze Dorf ist komplett neu gebaut worden, die Straßen sind noch nicht ganz fertiggestellt. Es gibt ein Hallenbad (komplett neu), eine riesige Turnhalle (komplett neu), ein Hockeystadion (komplett neu), eine Feuerwehr (komplett neu), eine Polizeistation (komplett neu), eine Communit Center (komplett neu), ein Krankenhaus (komplett neu) usw., usw.!!!
Mit anderen Worten, das Dorf mit einer Größe von sagen wir mal, Trebgast, verfügt über eine unglaubliche und super moderne Infrastruktur. D.h. Trebgast mit Schwimmbad, Turnhalle, Hockeystadion, Krankenhaus, Flugplatz, etc., etc.!
Es ist verblüffend. Das Dorf hat mich an unsere Modellbaueisenbahnen unserer Kindheit erinnert. So kleine Modellhäuser, irgendwie alle fast gleich und alles komplett neu.
Es gibt definitiv mehr brandneue Pickups als Einwohner. Niemand läuft auf der Strasse oder fährt z.B. die paar Meter mit dem Fahrrad. Niemand hält sich draußen auf - oder wenn, dann nur spät am Abend und meistens nur Kinder. Angeblich wegen der freilaufenden wilden Hunde.
Joanne und ich haben jeden Tag, auf unseren ausgiebigen Spaziergängen, säckeweise Müll aufgelesen. Plastik usw.! Wir bräuchten allerdings noch ein komplettes Jahr um Waska komplett vom Müll zu befreien - aber es wäre machbar.
Das soll jetzt nicht gegen die Cree sprechen aber Sauberkeit und Stolz für sein Haus, seinen Garten, seinen Park und seine Stadt, oder eben das Gegenteil fallen mir immer extrem auf. In Brasilien z.B. liegt nirgendwo auch nur ein ein Blatt Papier rum. Nirgendwo. Ich sehe das in Dachau, am Reisighof, am Chalet, in Japan, Italien oder in Guatemala (Montreal ist ein großes Problem - aber wir arbeiten daran).
Was mich zum Problem bringt:
Verantwortung. Die Cree haben - soweit ich das sehe und beurteilen kann - durch ein Abkommen mit Québec und vor allem mit Hydro Québec - wohl erheblich "Kohle" bekommen und investieren dass jetzt in Infrastruktur, in das Sozialwesen in die Gesundheitsfürsorge, medizinische Versorgung und so weiter. Die Kohle haben sie zurecht gerichtlich erstritten weil Hydro tausende von Quadratkilometern ihres Landes überflutet hat und Jagd- und Fischgründe zerstört hat. Die Basislebensform der Cree.
Die Frage welche ich mir stelle ist aber, sehr vereinfacht ausgedrückt, ob das Neue, das Westliche, wirklich ihr Lebensstil ist? Viele Cree leben nach wir vor vom Jagen und Fischen und bekommen, soweit ich das verstanden habe, unter bestimmten Umständen sozusagen "Sozialhilfe" falls sie ihre alte und jahrtausendealte Lebensweise weiterverfolgen wollen. Der Rest lebt ansonsten in Häusern und in einer Siedlung und in westlichen Strukturen. 67% der Cree Population ist übergewichtig und die Community hat ein großes Problem mit Diabetis. Angeblich gibt es eine genetische Disposition in Verbindung mit Bewegungsmangel und einen vollkommenen Wechsel der Ernärung - d.h. weg von der ursprünglichen Ernährung (Fisch, Wild, Früchte, etc.) hin zu produzierten Nahrungsmitteln (Hot Dogs und fritiertes Essen unter anderem).
70 % des Personals im Gesundheitswesen (Krankenschwestern, Ärzte, Sozialarbeiter, etc.) sind "eingeflogene" Weiße (white people) welche mit horrenden Gehältern und - relativ - angenehmen Arbeitsbedingungen nach Norden "gelockt werden".
Niemand dieser "white people" bleibt länger als ein oder maximal zwei Jahre weil kein Schwein die Einsamkeit und Abgeschiedenheit da oben auf Dauer aushält. Niemand. Es sei denn, du würdest immer nur Jagen und Fischen wollen. Vereinfacht ausgedrückt. Das können - glaube ich - nur die Cree.
Die Cree sind reserviert aber freundlich.
Das war mein erster Besuch in einer Cree Community aber sicherlich nicht mein letzter.